Heute vor 91 Jahren erlebt eine der dunkelsten Stunden seiner Geschichte. Die Demokratie gibt sich selber auf. Nur Sozialdemokraten verweigern Hitler die Zustimmung zu dessen „Ermächtigungsgesetz“. Otto Wels hält eine historische Rede: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht …“

Unterstützt von Teilen der Großindustrie und von nationalkonservativen Steigbügelhaltern ist die NSDAP zur stärksten Fraktion im Reichstag geworden. Reichspräsident Hindenburg hat Adolf Hitler am 30. Januar zum Reichskanzler ernannt. Doch um das zynisch betitelte  „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ durchzubringen, ist Hitler auf die Zustimmung anderer Parteien angewiesen: Dieses Gesetz gibt dem Kanzler diktatorische Vollmachten. Die Demokratie wird faktisch abgeschafft.

Nazi-Gegner werden bedroht

Am 23. März steht die Abstimmung an. Die Abgeordneten versammeln sich in einem Theaterbau, der Kroll-Oper. Der Reichstag ist nach einem Brandanschlag weitgehend zerstört. Hitler bezichtigt die Kommunisten des Anschlags und lässt die Abgeordneten der KPD, sofern sie nicht fliehen können, verhaften.

Auch 26 Abgeordnete der SPD können an der Abstimmung nicht mehr teilnehmen, sind interniert oder untergetaucht. Julius Leber wird noch auf dem Weg zur Kroll-Oper verhaftet. Uniformierte SA-Trupps säumen den Weg in den Plenarsaal. Wer als Nazi-Gegner bekannt ist, wird beschimpft und bedroht.

Die Einschüchterung zeigt Wirkung. Hitlers Gesetz erhält mehr Stimmen als benötigt. Alle sich „bürgerlich“ nennenden Parteien stimmen zu, von den Liberalen bis zum katholischen Zentrum. Nur die 94 anwesenden Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sagen Nein.

94 Sozialdemokraten stimmen mit Nein

Für sie ergreift der Partei- und Fraktionsvorsitzende Otto Wels das Wort. Er ruft Hitler unter dem höhnischen Gelächter von dessen Gefolgsleuten unerschrocken zu:

„Wir deutschen Sozialdemokraten bekennen uns in dieser geschichtlichen Stunde feierlich zu den Grundsätzen der Menschlichkeit und der Gerechtigkeit, der Freiheit und des Sozialismus … Kein Ermächtigungsgesetz gibt Ihnen die Macht, Ideen, die ewig und unzerstörbar sind, zu vernichten … Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht.“

Hitlers Rache lässt nicht auf sich warten. Tausende von Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden in den nächsten Monaten terrorisiert. Die SS richtet „wilde“ KZs ein – Konzentrationslager für politische Gegner. Am 10. Mai wird der Parteiapparat der SPD zerschlagen, am 21. Juni wird ihr jede politische Betätigung untersagt, am 14. Juli wird die Partei offiziell verboten.

Alle staatlichen Behörden orientieren sich fortan am Willen des „Führers“. Sie tun „nur ihre Pflicht“: Schließlich beruhen Diktatur und beginnender Terror doch auf gesetzlichen Grundlagen. Otto Wels wird im August die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen. Er geht wie viele andere führende Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten nach Prag. Dort formiert sich ein Exilvorstand, die Sopade. Otto Wels wird seine deutsche Heimat nie mehr wiedersehen. Er stirbt am 16. September 1939 im Pariser Exil.

Entschlossen für die Demokratie

Nach dem Zusammenbruch des „Tausendjährigen Reichs“ sind Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten entschlossen, nie wieder eine Diktatur in Deutschland zuzulassen. Sie wirken maßgeblich an der Formulierung des Grundgesetzes mit, das mit den Worten beginnt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Dieser schlichte und große Satz wird auch heute täglich infrage gestellt: Die Nazis erstarken, machen mancherorts die Straßen unsicher. Und schrecken auch vor Mord nicht zurück. Alle acht Stunden wird in unserem Land ein Mensch durch Neonazis tätlich angegriffen. Das ist ein Dauerangriff auf die Freiheit.

Die SPD hat es in ihren Eingeweiden, was es heißt, wenn Freiheit eingeschränkt wird. Mit der SPD gibt’s deshalb kein Vertun: Wir unterstützen alle, die gegen Nazis kämpfen.