Niedersachsens Ministerin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, Carola Reimann, nahm am Sonntag einiges auf sich, um pünktlich um 11 Uhr zum Neujahrsempfang der Wildeshauser SPD im Ratskeller zu kommen. Um 3 Uhr in der Nacht hatte sie die Meldung ihres Fahrers erhalten, dass er krankheitsbedingt nicht in der Lage sei, sie durch die Gegend zu kutschieren. Kurzentschlossen stieg sie um 7.10 Uhr in Braunschweig in den Zug und musste mehrmals umsteigen. Weil die Ankunft in Delmenhorst dennoch verspätet war und sie somit wohl kaum rechtzeitig in der Kreisstadt sein konnte, holte sie der SPD-Ortsvereinsvorsitzende Thomas Harms dort ab und brachte sie wohlbehalten und pünktlich in den Ratskeller.

Hier traf sie nicht nur auf rund 40 Genossen, sondern unter anderem auch auf Bürgermeister Jens Kuraschinski, den Vorsitzenden der Mittelstandsvereinigung, Ingo Hermes, sowie die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt, Majken Hjortskov. Zur Stärkung gab es Hochzeits- sowie Tomatensuppe.

Nachdem Reimann den Anwesenden „Gesundheit, Glück und Gleichstellung“ gewünscht hatte, legte sie dar, wie sie verstärkt daran arbeiten möchte, den Menschen ihre Würde zu geben oder zu erhalten, das Recht auf Selbstbestimmung zu stärken sowie Bürgern unabhängig von ihrer Herkunft die gleichen Chancen auf Entwicklung zu geben.

„Der Sozialstaat ist eine große Errungenschaft“, betonte sie. „Wir müssen Gerechtigkeit für jedes Alter und jedes Geschlecht bieten.“ Deshalb halte sie auch die Äußerungen von Ralph Brinkhaus, Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, für falsch, zunächst den Fokus auf eine Stärkung der Wirtschaft zu legen. „Viel wichtiger ist die Sozialpolitik. Wenn wir die Menschen abgesichert haben, dann ist das gut für die wirtschaftliche Entwicklung.“

Die Sozialministerin bezeichnete „Bildung als zentrales Element der Sozialpolitik“. Zudem müsste Deutschland das gute soziale Fundament für die Menschen im digitalen Zeitalter nutzen. So müssten Paketzusteller über die Nachunternehmerhaftung ein ordentliches Gehalt bekommen, Unternehmen, beispielsweise aus der Geflügelindustrie, müssten mehr Verantwortung für ihre Angestellten übernehmen. Es sei wichtig, ein Recht auf Weiterbildung einzuräumen sowie die Lebensleistung jedes Einzelnen anzuerkennen.

Einen Schwerpunkt legte Reimann auf das Thema Kinder und Alter. So habe ihr Ministerium ermittelt, dass jedes fünfte Kind in Niedersachsen aus Armutsgründen bedroht ist, von der gesellschaftlichen Teilhabe abgehängt zu werden. Aus diesem Grund müsste es eine Kindergrundsicherung geben, so die Ministerin. Gleichzeitig sei es sinnvoll, die Pflege ebenso zu stärken wie die Prävention bei älteren Menschen, um im Alter am öffentlichen Leben teilhaben zu können. Reimann schloss mit der Forderung, eine Landarztquote einzuführen und den Medizinern Möglichkeiten zu bieten, in Teams zusammenzuarbeiten. „Ich kann mir vorstellen, dass viele ältere Ärzte noch weitermachen wollen, wenn sie das nicht in Vollzeit müssen“, so Reimann.

Und sie forderte alle Genossen auf, angesichts von Anfeindungen gegen Politiker, Flüchtlingshelfer oder Kirchenvertreter Flagge zu zeigen: „Es gibt nur eine stabile Demokratie, wenn alle Bürger dafür einstehen“, sagte sie, bevor es mit dem Zug in Richtung Emden zum nächsten Termin weiterging.  
Quelle: Wildeshauser Zeitung